Rostocker Heide
Sauerstofflieferant und Hofjagdrevier
Im Jahre 1919 schreiben die Brüder Adolf und Rudolf Ahrens über ein Kleinod, östlich vor den Toren Rostocks gelegen, ein in unscheinbares Grau gebundenes Büchlein. Fortan findet es sich in vielen Rostocker Haushalten. Die Heide, ein etwa 6.000 Hektar umfassendes Waldgebiet, eine einzigartige Landschaft, ein eigenständiger Kulturkreis einst noch vor Warnemünde beliebtestes Ausflugsziel der Rostocker, erwacht heute wieder aus vierzigjähriger Vergessenheit.
Für die gesamte deutsche Seeküste, von der holländischen bis hin zur polnischen Grenze, ist es einmalig, dass ein so großes Waldgebiet an die See grenzt. So ist die Heide doch nur der klägliche Rest eines der letzten deutschen Urwälder, der sich ursprünglich zwischen Lübeck und der Insel Rügen erstreckte.
Nach dem Verkauf der westlichen Hälfte dieser Waldlandschaft im Jahre 1252 durch den Fürsten Borwin an die Stadt Rostock hatte man nun in der beginnenden Hansezeit ein schier unerschöpfliches Holzreservoir zum Bau der stolzen Hansekoggen. Der östliche Teil blieb in der Wendenzeit bis hin zum Ende des zweiten Weltkrieges Hofjagdrevier der mecklenburgischen Landesfürsten. Das altehrwürdige Jagdschloss in Gelbensande ist bis heute architektonisches Zeugnis dafür.
Orchideen und Eisvögel, brütende Kraniche und jahrhundertealte Eibenbäume machen die Heide zur schützenswerten Landschaft. Ein für ganz Deutschland einzigartiges Klima, resultierend aus der Mischung von Wald- und Seeluft. Dessen heilsame Wirkungen veranlasste vor über einhundert Jahren den Hofarzt Karl von Mettenheimer in Graal-Müritz das erste Seehospiz zur Heilung erkrankter Kinder einzurichten. Damit war das erste Seeheilbad Deutschlands gegründet.
Mit dem Nestor der mecklenburgischen Forstwirtschaft, Hermann Friedrich Becker beginnend, prägten bedeutende Forstmänner seit 1791 diesen Kulturwald. Russische Zaren und dänische Könige schrieben hier Geschichte. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges breiteten sich über die Heide für die Regierungsjagd und militärische Zwecke reservierte Sperrgebiete aus. Wanderkarten durften nicht mehr gedruckt werden. Die Landschaft geriet in Vergessenheit.
Seit 1990 hat sich diese Entwicklung wieder umgekehrt. Militär und die Jägerschaft der früheren DDR-Führung verließen das weitläufige Waldgebiet. Reiseführer können wieder Touristen anwerben und der Sauerstoffproduzent für die Stadt Rostock steht dem Naturfreund für Wanderungen und Touren offen. Störtebekers sagenhaftes Versteck verbreitet dem Besucher seine Romantik.